18 Sekunden, dann unterbricht der Arzt

Deutschland belegt einen zweifelhaften Spitzenplatz. In keinem anderen europäischen Land haben Mediziner so wenig Zeit für den Patienten wie in Deutschland.
Der Patient sollte im Mittelpunkt aller Bemühungen und Abläufe stehen. Leider ist das im so hoch komplexen System wie der Gesundheitsversorgung nicht immer gegeben. Zu viele Faktoren spielen eine Rolle und fordern Kompromisse. Pharmakonzerne, Ärzte, Krankenkassen, Versorgungseinrichtungen, der Gesetzgeber und viele weitere mehr. Aus diesem Zusammenspiel ergibt sich am Ende das, was bei uns Patienten ankommt. Und dass das nicht immer die bestmöglichste Behandlung oder Versorgung ist, dürfte mittlerweile fast jeder der in Deutschland in den vergangenen Jahren einen Arzt besucht hat, erfahren haben.
Der Chirurg Professor Volker Schumpelick, Emeritus der Uniklinik Aachen sieht drei Hauptprobleme in unserem Gesundheitssystem:
- Doppeldiagnostik durch fehlende Datenabgleiche
- Schlechtes ineinandergreifen von stationärer und ambulanter Versorgung
- Zu frühes entlassen aus der stationären Behandlung (Begünstigung des „Drehtüreffekts“)
Professor Manfred Weber, Direktor der Medizinischen Klinik der Stadt Köln ergänzt dies um einen vierten Punkt. Dem „Fallpauschalsystem“, zu schnell wird in Kliniken nach „Schema F“ verfahren, ohne selbstständiges nachdenken und mit zu wenig individuellem Eingehen auf den Einzelfall.
Dies wiederum liegt (Gott sei Dank) nicht zwingend an mangelndem Interesse oder Befähigungen des Personals, sondern an der immensen Arbeitsbelastung und dem Verwaltungsaufwand der für jeden Patienten automatisch entsteht, da bleibt kaum Zeit für Individualität und intensive Diagnostik.
Gerätemedizin lockt mit hohem Verdienst
Ein anderer, nicht unerheblicher und fast grotesk anmutender Grund, die Apparatemedizin, also die Behandlung und Diagnose mittels aufwendiger Geräte wie CT und Röntgendiagnostik, lockt Mediziner mit hohen Gewinnen. So kann ein Röntgen-Facharzt das Vielfache dessen verdienen, was der „gewöhnliche“ Hausarzt zu erwarten hat.
Eine Folge: In Kliniken arbeiten zurzeit rund 140.000 Ärzte, denen gegenüber stehen 110.000 Hausärzte, Tendenz sinkend.
In ländlichen Gebieten fehlen jetzt schon rund 800 Ärzte und in den Ballungsgebieten gibt es einen Überschuss von rund 25.000 Ärzten.
Keine Zeit für den Patienten
Nach durchschnittlich 18 Sekunden unterbricht der Arzt den erklärenden Patienten. Nur rund 9,5 Minuten pro Patient, soviel Zeit nimmt sich der Hausarzt. Kein Wunder bei 243 Patienten pro Woche (Durchschnitt). Wenig Zeit für den einzelnen und lange Wartezeiten für die Pateinten sind die Folge.